Dr. Tom Kafczyk, geschäftsführender Vorstand von HelpAge, und Dr. Jürgen Focke, Leiter der Stabsstelle Policy & Advocacy, vertraten HelpAge Deutschland beim fachlichen Forum des Verbandes Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO), der anschließenden Mitgliederversammlung sowie den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen des Verbandes.
Tage im Zeichen einer starken Zivilgesellschaft: HelpAge beim VENRO-Fachforum, 30-jährigen Jubiläum und der VENRO-Mitgliederversammlung
22.12.2025
30 Jahre VENRO – Ein starkes Signal für die Zukunft
Zwei intensive Tage des Austauschs, des Lernens und der kritischen Bestandsaufnahme zur Akzeptanz der Zivilgesellschaft in der Öffentlichkeit sowie im politischen Diskurs liegen hinter uns. Ein besonderer Höhepunkt war die Jubiläumsfeier, die die engagierte und kraftvolle Arbeit von VENRO würdigte. Die Feierlichkeiten boten Raum für einen inspirierenden Rückblick auf drei Jahrzehnte zivilgesellschaftliches Engagement und einen entschlossenen Ausblick auf kommende Aufgaben.
Foto: © VENRO/ İlker Eraslan
Die neue Haushaltsrealität: Ein gefährlicher Rückzug
Ein zentrales Thema in Berlin war die schwindende politische Priorisierung von Entwicklungspolitik und humanitärer Hilfe, in Deutschland und global. Wie eine Studie des Evaluierungsinstituts DEVAL zeigt, unterstützt gleichzeitig die deutliche Mehrheit der deutschen Bevölkerung das Engagement der Politik und Zivilgesellschaft in der Entwicklungspolitik und humanitären Hilfe. Die massiven Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit in den Bundeshaushalten für 2025 und 2026 haben zur Folge, dass Deutschland seinen internationalen Zusagen, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen (ODA-Quote), sehr deutlich nicht nachkommen wird. Besserung ist kaum in Sicht: Die Kennziffern für die Haushalte bis 2028 weisen auf, dass die Budgets noch weiter gekürzt werden.
Die Bundesregierung war in den letzten Jahren ein verlässlicher Partner für HelpAge. Doch die neuen Haushaltspläne treffen auch uns und unsere Partnerorganisationen schwer. Sollten keine neuen Finanzierungsquellen erschlossen werden, droht in mehreren Krisengebieten die massive Reduzierung oder gar Einstellung lebensnotwendiger Projekte. HelpAge und unsere Partnerorganisationen könnten dadurch über 400.000 bedürftige Menschen weniger erreichen, darunter vor allem ältere Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen, die in Krisenkontexten besonders schutzbedürftig sind. Weltweit könnten nach Schätzungen der Vereinten Nationen durch den Rückzug der institutionellen Geldgeber sogar bis zu 60 Mio. Menschen in Krisengebieten künftig keine Unterstützung, wie beispielsweise Medikamente, mehr erhalten.
Die Zeit in Berlin hat jedoch auch gezeigt: Die deutsche Zivilgesellschaft stellt sich deutlich gegen diese Haushaltskürzungen. Wir brauchen mehr anstatt weniger globale Solidarität und Zusammenhalt! Es bedarf nun einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um dem Anspruch “Niemanden zurücklassen” gerecht zu werden.
Politische Impulse
Einen Impuls hierzu setzte Bundesministerin Reem Alabali-Radovan in ihrem Grußwort: Sie verkündete, dass es dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gelungen ist, zusätzliche Mittel für die Sonderinitiative „Sichere Ernährung – stark fürs Leben“ zur Verfügung stellen zu können. Dadurch werden zusätzliche Mittel für zivilgesellschaftliche Projekte bereitgestellt, die Mütter und Kinder in den ersten zwei Lebensjahren sowie in Schulen unterstützen.
In Zeiten knapper Kassen ist das ein wichtiges Zeichen. Die ersten Lebensjahre sind entscheidend und bilden das Fundament für die weitere Entwicklung und ein gesundes Altern. Jedoch sollte ein umfassender Ansatz auch das familiäre Unterstützungssystem und intergenerationale Zusammenhänge in den Blick nehmen. In vielen Ländern sind es oft die Großeltern, die sich mit Herzblut um ihre Enkelkinder kümmern und ihre eigenen Kinder unterstützen, nicht selten sogar zulasten der eigenen Gesundheit und Wohlbefindens: Nach der HelpAge Studie „Fuel, Food, Finance Crises“ (2024) verzichten am Horn von Afrika derzeit ca. 90 % der älteren Menschen auf eine Mahlzeit am Tag, weil sie sich diese nicht mehr leisten können. Und dort, wo es möglich ist, geben über 70% der älteren Menschen ihre Essenrationen an die Enkelgeneration weiter.
Schrumpfende Handlungsräume (Shrinking Spaces)
Die Bedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement – vom Ehrenamt bis hin zu großen NGOs – werden weltweit schwieriger, was besonders beim VENRO-Forum zu vielen Diskussionen geführt hat. Auch in Deutschland gelten die Handlungsräume mittlerweile als eingeschränkt, wie Mandeep Tiwana (Executive Director von CIVICUS) in einem Impuls-Vortrag reflektierte. HelpAge setzt sich auch weiterhin entschieden für offene Handlungsräume und die Förderung einer starken Zivilgesellschaft ein – hier in Deutschland und weltweit.
Ein neuer Vorstand für VENRO
Wir gratulieren dem neu gewählten Vorstand herzlich zur Wahl auf der VENRO Mitgliederversammlung! Insbesondere beglückwünschen wir die neuen Vorsitzenden Anica Heinlein (CARE Deutschland) und Carsten Montag (Kindernothilfe) sowie die weiteren gewählten Vorstandsmitglieder:
Mareike Haase (Brot für die Welt) und Kayu Orellana Mardones (Help – Hilfe zur Selbsthilfe) kandidierten auf der Mitgliederversammlung erfolgreich für das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden.
Christian Griebenow (Tierärzte ohne Grenzen) wurde im Amt des Schatzmeisters bestätigt.
Weitere gewählte Vorstandsmitglieder sind der bisherige Vorstandsvorsitzende Michael Herbst (CBM Christoffel-Blindenmission), Gifty Amo Antwi (Weltladen-Dachverband), Sybille Fezer (medica mondiale e.V.), Asja Hanano (Welthungerhilfe) und Annette Ptassek (Misereor).
Herausforderungen gemeinsam begegnen
Die entwicklungspolitische und humanitäre Zivilgesellschaft steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen: Krisen und Kriege nehmen immer weiter zu und zugleich werden die finanziellen und politischen Rahmenbedingungen unserer Arbeit immer schwieriger. Es braucht gute Antworten auf diese Herausforderungen und mit VENRO haben wir einen starken Dachverband, der diese Antworten mitgestaltet, wie Carsten Montag in seiner Eröffnungsrede betonte. Um als Zivilgesellschaft nachhaltig etwas zu bewegen, braucht es weiterhin Mut, Konsequenz und vor allem: eine gebündelte Stimme.
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