
Naher Osten
Im Alter auf der Flucht
Der Nahe und Mittlere Osten ist eine vielfältige und heterogene Region, in der Politik und Religion die meisten Aspekte des Lebens, einschließlich Gesundheit und Gesundheitsversorgung durchdringen. Die syrische Krise hat die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Genozid in Ruanda erzeugt und wird nun als die entscheidende Flüchtlingskrise unserer Zeit beschrieben. Innerhalb dieser Flüchtlingsbevölkerung sehen sich ältere, behinderte und verletzte Geflüchtete mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, die zu ihrer Verletzlichkeit beitragen. Studien zeigen jedoch, dass diese Gruppen häufig bei der Bewertung, Datenerhebung, Gestaltung und Umsetzung von humanitären Hilfsprojekten vernachlässigt werden.

Jemen
Im Jemen herrscht derzeit eine der größten humanitären Krisen weltweit. Aktuell sind rund 22 Millionen Jemeniten – und damit fast 80 Prozent der Gesamtbevölkerung – auf humanitäre Überlebenshilfe angewiesen. Etwa vier Millionen Menschen sind innerhalb des Jemens auf der Flucht vor Gewalt, Armut und Hunger, die durch den Krieg verschärft wurden. Ein Drittel der Bevölkerung des Landes ist akut vom Hungertod bedroht. Während lebensbedrohliche Krankheiten wie Cholera und Diphtherie ausgebrochen sind, fehlt es an Medikamenten und Gesundheitseinrichtungen. Die Konfliktsituation verhindert, dass medizinische Hilfsgüter, Wasser und Lebensmittel die Betroffenen erreicht. Besonders gefährdet sind ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen, die täglich lebenswichtige Medikamente benötigen. So müssen beispielsweise Insulinpräparate für Diabetes gekühlt werden, damit sie wirksam bleiben. So sind Medikamente, selbst wenn sie verfügbar sind, oft unbrauchbar.
Jordanien
Seit Beginn der Syrienkrise wird Jordanien mit der Ankunft einer großen Anzahl Geflüchteter konfrontiert. Etwa 15 Prozent der Gesamtbevölkerung Jordaniens sind derzeit geflüchtete Menschen. Jordanien steht weltweit auf dem 6. Platz der Länder, die am meisten Geflüchtete aufnehmen. Die Anzahl der ankommenden Menschen hat Auswirkungen auf die ökonomische Situation im Land, welche bereits vor der Syrienkrise als schwierig galt. Mit ihnen steigt der Druck auf das Land mit seinen ohnehin knappen Ressourcen stark an. Als Folge sind sowohl Einheimische als auch Geflüchtete bezüglich Nahrungsmittelsicherung, humanitärem Schutz, allgemeinen Lebensbedingungen sowie der sozialen Integration dauerhaft gefährdet. In Jordanien leben derzeit etwa 500.000 Menschen im Alter über 60 Jahre. Gerade diese vulnerablen Menschen benötigen besondere Unterstützung und Aufmerksamkeit. Die lange Flucht, mangelnde Einkommensmöglichkeiten und steigende Kosten haben zu einer Ausschöpfung der eigenen Ressourcen der Geflüchteten geführt, so dass sie stark von externen Hilfsleistungen abhängig sind.
Libanon
Im Libanon leben rund 2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien – fast ein Drittel der derzeitigen Bevölkerung von 6,2 Millionen (2017) Menschen. Die Infrastruktur des Landes war bereits vor dem Syrien-Krieg an ihre Grenzen geraten, auch aus Gründen der Korruption und Vetternwirtschaft, jetzt droht sie allerdings zu kollabieren. Täglich werden die Stromausfälle länger, und auch Wasser ist Mangelware. Die wirtschaftliche Situation des Landes ist schlecht und besonders die ländlichen Gebiete werden von der Politik vernachlässigt. Die Menschen haben wegen des Krieges und der Flucht keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Das stark privatisierte libanesische Gesundheitssystem ist absolut überfordert, die hohe Zahl der neuen PatientInnen zu versorgen. Der Großteil der Hilfsorganisationen im Land kümmert sich nur um die Erst- und Akutversorgung von Verletzten. Und internationale Hilfsgelder werden immer mehr gekürzt, so dass die UNO-Flüchtlingshilfe UNHCR Anfang 2015 mehrere Kliniken für Geflüchtete schließen musste, was gleichzeitig bis heute den Druck auf libanesische Gesundheitseinrichtungen weiter erhöht. Für Geflüchtete (wie auch für die arme einheimische Bevölkerung) bedeutet dies, dass sie keine Arzttermine bekommen, dass sie nicht mehr mit lebensrettenden Medikamenten wie Insulin versorgt werden, und dass die ganze Familie finanziell stark belastet wird, um Behandlungskosten decken zu können.